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Electronic Solo Instrument Work

Chameleon

for one percussionist (2022)

for one percussionist (2022)

DE

Alfred Brehm beschreibt in seinem berĂŒhmten »Thierleben« das ChamĂ€leon als ein zumeist regungsloses Wesen: »Tagelang beschrĂ€nkt sich ihre Bewegung darauf, sich bald auf dem Aste, welchen sie sich zum Ruheplatze erwĂ€hlten, niederzudrĂŒcken und wieder zu erheben, und erst, wenn besondere UmstĂ€nde eintreten, verĂ€ndern sie nicht bloß ihre Stellung, sondern auch ihre PlĂ€tze. Das verschrieene Faulthier und jedes andere derjenigen Geschöpfe, welche auf BĂ€umen leben, bewegt sich mehr und öfter als sie, falls man absieht von Augen und Zunge; denn erstere sind in bestĂ€ndiger TĂ€tigkeit, und letztere wird so oft, als sich Beute findet, hervorgeschnellt. Kein anderes Wirbelthier lauert ebenso beharrlich wie das ChamĂ€leon auf seine Beute; es lĂ€ĂŸt sich in dieser Hinsicht nur mit den tiefststehenden, dem Felsen gleichsam angewachsenen wirbellosen Thieren vergleichen. Wer so glĂŒcklich gewesen ist, das keineswegs leicht zu entdeckende Geschöpf aufzufinden, sieht, wie beide Augen bestĂ€ndig und zwar ruckweise sich drehen und unabhĂ€ngig von einander nach den verschiedensten Richtungen auslugen. Hat lĂ€ngeres Fasten die sehr rege Freßlust nicht angestachelt, so verweilt das ChamĂ€leon in derselben Stellung, auch wenn es glĂŒcklich Kerbthiere gesehen hat, und wartet ruhig, bis sich in entsprechender Entfernung von ihm ein solches auf einem Zweige oder Blatte niederlĂ€ĂŸt. Sowie dies geschehen, richtet sich der Kopf dem Kerbthiere zu, beide Augen kehren sich mit ihren Spitzen nach vorn, der Mund öffnet sich langsam, die Zunge schießt hervor, leimt die Beute an und wird zurĂŒckgezogen; man bemerkt sodann eine rasche, kauende Bewegung der Kiefer, und das Thier erscheint wieder so regungslos wie zuvor. War es aber lĂ€ngere Zeit im Fange unglĂŒcklich, so verfolgt es wirklich ein erspĂ€htes Kerbthier auf einige Meter weit, ohne jedoch den Busch, auf welchem es sich gerade befindet, zu verlassen.« (source)

Das vorliegende StĂŒck verkörpert zwar kaum diese Art von Unbeweglichkeit eines starr im GeĂ€st hockenden Tiers, wohl aber dessen innere Aufmerksamkeit, das ruckartige Muster seiner Blicke, die stetige Bereitschaft zur explosiven Geste sowie die Wandelbarkeit seiner Farben. Diese FĂ€higkeit, das eigene Erscheinungsbild zu verfĂ€rben war die eigentliche Ausgangsidee meiner Komposition fĂŒr eine:n Schlagwerker:in. Mehrere sehr kontrĂ€re instrumentale Farben werden vermischt und lösen einander ab. Dabei ist der Rahmen ein recht ĂŒberschaubarer: Den metallenen Idiophonen steht das Xylophon mit seinem sehr kurzen Nachklang als â€ștrockenerâ€č Klangraum gegenĂŒber. Dazu kommt noch eine breite Palatte an gesampelten KlĂ€ngen aus dem elektronischen Part. Die Elektronik macht auch Brehms’ Text fragmentarisch sichtbar und beleuchtet das klangliche Geschehen in durchaus ironisch zu verstehender Weise.

WĂ€hrend die ersten beiden SĂ€tze sich mit den irdischen Eigenschaften eines ChamĂ€leons auseinandersetzen folgt im letzten Satz ein Blick auf den sĂŒdlichen Nachthimmel. Auch das Sternbild ChamĂ€leon zeichnet eine scheinbare Statik, die Sterne verharren regungslos am Himmel und strahlen schwach leuchtend ĂŒber der Nacht. Diese Stimmung wird hier als dramaturgischer Gegensatz zu den vorigen Teilen eingefangen – ein nĂ€chtlicher Abgesang, ein musikalischer Augenblick durchs Fernrohr.

INSTRUMENTATION:
percussion (one player)

  • 5 singing bowls (tuned in F#3, F4, Eb5, E6, D7)
  • saturn gong (or other gong tuned in D3)
  • glockenspiel (range from F6 to C8)
  • xylophone (range from C5 to C8)
  • typophone (computer, browser & two speakers)

DURATION: 9 minutes

PERFORMANCE MATERIAL:
info@chrenhart.eu

PREMIERE:
To be announced.