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Ensemble Universal Edition Work

Échos éloquents

Échos éloquents | Ensemble Musiques Nouvelles | Jean-Paul Dessy (conductor)

Échos éloquents
for seven players (2016)
version pour Mons for nine players (2019)

English

Let us try to figure out the shape of an echo: What is said by an echo is what it does not articulate. The information about the echo itself is to be derived from what is swallowed by it or from the way how the reverberation is distorting the original message. An echo itself might be contoured as the phantasmorgia of a reality of which we might only guess its silhouettes by noticing a deviation to a formerly known content.

Échos éloquents tries to portrait this phenomenon in a sonic way. Sounds are being triggered by preceding sounds and sometimes mirrored in a very blurred and hardly recognisable way. Listening to music is similar to a memory game: We strive towards understanding a context by re-cognizing a theme, a chord, a gesture or whatever else. If someone alters the memory cards while we are playing, it starts to get exciting as we might wish to find out, who caused the mess.

The work itself is a kind of an echo to my work miroirs noirs which pictures another way of describing the same phenomenon by a different orchestration. Both work spoon their musical materials—like two sister-volcanos—from one magma chamber.

German

Was aus dem Echo spricht ist, was es nicht sagt, was es verschluckt, was es zerdehnt, was verhallt. Das Zerrbild einer Wirklichkeit, das verräterisch die Umrisse jener Oreade erahnen lässt, die, längst Stein geworden, alles Gesagte verschlingt um es wieder neu auszusprechen. So vielsagend ihre Laute sind, und zugleich so nichtssa-gend, so sehr hören wir in diesen Klang hinein, um darin irgendetwas zu finden.

Échos éloquents spinnt sich als Dialog zwischen Gesagtem und Zurückgesagtem durch die stumme Kulisse der Zeit fort. Der Sprechende findet im Wider-hall die Resonanz des Findenden, steigert sich in seine aufschaukelnden Worte hinein, um sie am Ende zu verlieren, um sprachlos zurück zu bleiben.

Das Werk selbst ist ein Echo auf mein neues Werk miroirs noirs, welches das dazu parallele Phänomen nicht spiegelnder Spiegel thematisiert. Beide Werke schöpfen ihr Material, wie zwei verschwisterte Vulkane, aus einer Magmakammer.

INSTRUMENTATION:
Flute, clarinet in Bb (also bass clarinet), percussion (1 player), piano, violin, viola, violoncello
Version pour Mons: + trombone and guitar

PERCUSSION INSTRUMENTS:
bass drum, tam tam, xylophone, glockenspiel, vibraphone, gong tuned C, tubular bells

DURATION:
11 minutes

PUBLISHED BY:
Universal Edition

PREMIERE:
November 21, 2016 • Graz, Minoritensaal • Schallfeld Ensemble • Leonhard Garms, conductor

PERFORMANCES:

  • November 30, 2019 • Mons, Arsonic • Ensemble Musiques Nouvelles • Jean-Paul Dessy, conductor
  • April 29, 2023 • Seoul, Seoul Arts Ceneter • ensemble blank • Jaehyuck Choi, conductor

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Miscellaneous

Interview

Jeunesse-Interview zur Uraufführung des Streichquartetts »Epitaph for Ovid Nase«

Im Rahmen der Uraufführung des Streichquartetts »Epitaph für Ovid Naso«, das 2015 mit dem Kompositionspreis – ausgeschrieben von der Jeunesse, der Alban Berg Stiftung und dem Hugo Wolf Quartett – ausgezeichnet wurde, führte Albert Seitlinger für die Jeunesse mit dem Komponisten ein Interview rund um das Werk, das am 16. Oktober 2016 im Wiener Konzerthaus vom Hugo Wolf Quartett uraufgeführt wurde.

»Epitaph für Ovid Naso« ist deine zweite musikalische Reflexion über das Leben des römischen Dichters Ovid, der einen Großteil seines Lebens im Exil am Schwarzen Meer verbringen musste. Was fasziniert dich an Ovid?

Ovid hat stur an die Kraft seiner Kunst geglaubt und sich der Hoffnung nie entschlagen, dass sie es ihm einst erlauben würde, nach Rom zurückzukehren. Dass es dazu nie kommen sollte, zeigt einen Widerspruch auf, dem wir in der Kunst oft begegnen: Einerseits ist sie ein zahnloses Mittel ohne politische Macht. Andererseits aber hat nur Ovids Kunst überdauert. Mich fasziniert, dass Kunst überall gedeiht und anscheinend alles aushält.

Wie äußert sich diese Faszination für Ovid in der Musik?

Was in der Musik am »Ohrenscheinlichsten« zum Ausdruck kommt, sind Klänge. Gleichzeitig suchen wir nach einem Darunter. Für das Streichquartett dachte ich mir eine Geschichte aus, die in Ovids Welt, am Weltende, in der Kargheit der vom Meer umspülten Wüste spielt. Am Ende entschwindet die Geschichte in den Hintergrund. An der Oberfläche bleiben möglichst lebendige und atmende Klänge stehen, in denen man wie im Kaffeesud lesen kann – und finden!

Am Ende von »Epitaph für Ovid Naso« klingt zur Bezeichnung »Wienerisch« ein Walzer im Stile Gustav Mahlers an. Ein doppelter Boden unter Ovids Füßen?

Das Streichquartett trieft vor Nostalgie. Damit steht es ganz im Geiste Ovids, der nichts sehnlicher wollte als »zurück«. Vielleicht ist das der Orakelspruch aus der Figur Ovids: Es geht nie »zurück«! Der Katzenjammer, mit dem man sich immer schon nach dem Vergangenen gesehnt hat, ist lächerlich und grotesk. Deswegen geht Ovids Welt ein bisserl im Dreivierteltakt unter. Aber in Wien passiert das, wie Mahler wusste, ohnehin ein paar Jahre später.

Deine Musik findet ihre Inspiration oft in anderen künstlerischen Ausdruckssphären wie Literatur, Film und bildender Kunst. Wie beeinflussen sich diese Künste in deinen Werken?

Die verschiedenen Kunstsparten sind sehr unterschiedlich und können verschiedene Inhalte gut bis gar nicht vermitteln. Musik und Film sind eng verwandt, da beide Formen zeitgebunden sind. Interessant ist also, wie man Prinzipien nicht zeitgebundener Kunstformen auf ein Musikstück übertragen kann. Denken wir an die Perspektive in der Malerei: Nehmen wir eine akustische Perspektive von Klängen oder Klangzusammenhängen wahr? Wie beeinflusst ein harmonischer Verlauf diese Wahrnehmung? Denken wir an Farben: Erkennen wir in der Sättigung eines Farbtons eine Analogie zur Periodizität eines Klangspektrums? Inwieweit kann ich das kompositorisch lenken, um daraus eine harmonische Struktur zu schaffen, die auf die Dramaturgie meines Werkes einwirkt?

Du bist selbst in den Bereichen digitale bildende Kunst und Grafik tätig. Was bedeutet für dich das visuelle Element in der Kunst?

Was wir sehen, auch während wir Musik hören, beeinflusst unsere Wahrnehmung entscheidend. Das visuelle Element spielt immer eine Rolle, selbst wenn man im völligen Dunkel Musik hört. Dann nämlich hören wir sie erst recht anders. Denken wir nur an das Werk »in vain« von Georg Friedrich Haas. Das Ambiente eines Konzerts, die Beleuchtung während der Aufführung, die Gesten eines Solisten oder Dirigenten, all das ist mitentscheidend für die Wirkung eines Stückes und Teil der Interpretation. Man kann diese Parameter als Komponist festlegen; in jedem Fall aber muss man sie mitdenken und ihren Einfluss auf die Entfaltung des Stücks abschätzen können.

Welchen Einfluss übt für dich als Pianist das Klavier, seine Klangsphäre und Spieltechnik auf deine Musik aus?

Ich komponiere fast alles auf zwei im Vierteltonabstand gestimmten Klavieren. Ich will jeden Klang hören, bevor er auf den Bildschirm kommt und greife dabei auf das einzige Instrument zurück, das ich einigermaßen vernünftig bedienen kann. Ansonsten ist dieser Prozess ganz abstrakt. Das Instrumentieren findet in einem späteren Schritt am Schreibtisch statt. In vielen meiner Ensemblestücke sind dennoch Klavier bzw. Stabspiele, Röhrenglocken und Gongs äußerst wichtige Instrumente, deren Klangfülle und orchestrale Virtuosität ich sehr schätze.

In mehreren deiner Werke arbeitest du aktiv mit zeitgenössischen Schriftstellern zusammen. Wie spielen dabei Musik und Literatur zusammen?

Unter den 1001 Arten, Worte mit Musik zusammenzubrauen, suche ich fortwährend nach Rezepten, die aus beiden Zutaten ein Elixier formen, das stärker ist als seine beiden Komponenten. Musik ist flüssige Emotion. Ein Text kann ihr präzise Bedeutungen zuweisen und semantische Zusammenhänge verknüpfen, kurzum: sie bis ins Unerträgliche intensivieren. Ich bekenne mich zum Pathos. Ich vermisse es heute oft. Musik ist die einzige abstrakte Kunst, die mich zu Tränen rühren kann.

Interview: Albert Seitlinger / Jeunesse.

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Ensemble Work

miroirs noirs

miroirs noirs | Klangforum Wien | Clement Power (conductor)

miroirs noirs
for ensemble (2016)

English

Within the silky matt black of a level surface, gestures and movements tumble about like lost moths against a glass wall. They are pale forms without contours whose outline can only be intuited as shadows. The silhouettes of these “dis-mirrored” objects, which have previously remained obscure, convey an intimation of their actual shape, appearing like blurred memories.In miroirs noirs such indistinct echoes are encountered in many moments. Figures that are instantaneously reflected seem closer, whereas the counter-image of more extended processes become discernible only in time.

In my piece I wanted to create a perspective of recollection. At the same time, the sea of past gestures and fragments forms a stream whose course follows a predetermined dramaturgical concept. In a striking plunge, the piece collapses at the zenith of a long, eruptive phase even before it has passed its midway point.

During the following sequences the piece repeatedly resumes its course directed towards the summit, but nonetheless it continually loses height. Informed by thoughts from the past and pulverised by the cataracts of time, it persistently takes its course towards a final low point – amidst a desert of dust the stream runs dry in the estuary of its memories.

miroirs noirs was written between January and June 2016. The piece itself is a blurred counter-image to my work Échos éloquents, which was created at the same time as miroirs noirs. Both pieces draw on their material – like two sibling volcanoes – from a single magma chamber. (Christoph Renhart, 2016)

This work was commissioned by Ailin Huang / Internationale Musikbrücke association.

German

Im seidenmatten Schwarz einer planen Oberfläche tummeln sich Gesten und Bewegungen wie verirrte Nachtfalter an einer Glaswand. Es sind fahle Formen ohne Kontur, deren Umrisse sich nur als Schatten erahnen lassen. Die Silhouetten jener zerspiegelten Objekte, welche davor im Obskuren verharren, vermitteln eine Ahnung ihrer eigentlichen Gestalt, einer unscharfen Erinnerung gleichend. In »miroirs noirs« begegnen wir diesen verschwommenen Echos in vielen Momenten. Figuren, die unmittelbar zurückgeworfen werden erscheinen näher, während das Gegenbild längerer Prozesse erst im Lauf der Zeit erkennbar wird.

Ich wollte in meinem Werk eine Perspektive der Erinnerung schaffen. Gleichzeitig formt sich aus dem Meer verflossener Gesten und Fragmente ein Strom, dessen Flusslauf einem vorgezeichneten dramaturgischen Plan folgt. Markant stürzt das Stück am Zenit einer langen eruptiven Phase in sich zusammen, noch bevor es seine Mitte überschreitet.

In den weiteren Abschnitten nimmt das Stück mehrmals den zum Gipfel weisenden Kurs wieder auf, verliert jedoch unaufhaltsam an Höhe. Durch die Gedanken aus dem Vergangenen geprägt und zerrieben in den Katarakten der Zeit steuert es unentwegt einem finalen Tiefpunkt zu: Inmitten einer Wüste aus Staub versiegt der Strom im Ästuar seiner Erinnerungen.

»miroirs noirs« entstand zwischen Jänner und Juni 2016. Das Stück ist selbst ein unscharfes Gegenbild zu meinem Werk »Échos éloquents«, welches parallel zu »miroirs noirs« entstand. Beide Werke schöpfen ihr Material, wie zwei verschwisterte Vulkane, aus einer Magmakammer. — ChR, E‘16

Dieses Werk entstand im Auftrag von Ailin Huang / Verein Internationale Musikbrücke.

INSTRUMENTATION:
flute, clarinet in Bb (bass clarinet), horn, percussion (1 player), piano, pipa, erhu (or: violin), violin, viola, violoncello

PERCUSSION INSTRUMENTS:
tubular bells, glockenspiel, gongs, vibraphone, timpani

DURATION:
12 minutes

PERFORMANCE MATERIAL:
info@chrenhart.eu

PREMIERE:
October 31, 2016 • Vienna, Konzerthaus • Klangforum Wien • Clement Power, conductor • Pai Ju Tsai, pipa

PERFORMANCE:
January 22, 2018 • Radio Ö1, Zeit-Ton • Klangforum Wien • Clement Power, conductor • Pai Ju Tsai, pipa

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Chamber Music Vocal Work

Farben des Mohns

Farben des Mohns | Klaudia Tandl (mezzo-soprano) | Christoph Renhart (piano)

Farben des Mohns
for mezzo-soprano and piano (2014)

Farben des Mohns entstand im Frühjahr 2014 nach fünf Gedichten von Jakob Reichsöllner. Ich erbat mir eine Art Lyrik, die ich motivisch verarbeiten, fragmentieren und die ich als musikalisches Material zusammen mit dem Klanguniversum des Klaviers zu einem neuen, eigenständigen Werk verspinnen konnte. Klänge und Text sollten kammermusikalisch miteinander verschmelzen. Die Poesie aus der semantischen Bedeutung einzelner sprachlicher Momente sollte, in Musik gegossen, aus den Klängen heraus sprechen. Das entstandene musikalische Werk ist gleichsam eine Interpretation der Gedichte, die darin einige Aspekte zutiefst emotional durchleuchtet und diese um eine akustische Perspektive erweitert.

Das Klavierlied hat einen langen Weg hinter sich gelassen und tiefe Spurrillen in das Pflaster der Tradition gefurcht. Begegnen wir ihm heute, indem wir diesen Wagen ziehen lassen, seine Lenker werden neues Terrain erschließen, auf ihrer Reise neue Klangkulissen entdecken und die Art und Weise des Transportmittels beständig weiterentwickeln. Was von einstens geblieben ist, ist die Idee, zwei MusikerInnen — ein Sänger und ein Pianist — gemeinsam künstlerisch interagieren zu lassen.

Insofern sehe ich in meinem Werk vielmehr die kammermusikalische Begegnung als Grundgedanke verwurzelt als die Patina eines herbeizitierten Geistes, der freilich nie mehr wiederkehrt. Diese Begegnung erfährt eine Erweiterung ihrer rein klanglichen Dimension durch ein fragil-szenisches Konzept, welches sich jedoch in einer kammermusikalischen Konzertsituation sehr gut realisieren lässt.

Der theatralische Aspekt des Werks wird durch die Einbeziehung und Beeinflussung des Raumlichtes einerseits sowie durch szenische Andeutungen der Sängerin — die in der Partitur vorskizziert sind — andererseits etabliert. Darüber hinaus trägt der/die PianistIn durch ein gestenreiches Spiel — insbesondere die Einbeziehung des Innenraums des Instruments unterstützt die Musik auch betont pantomimisch — zum theatralisch-expressiven Charakter des Werkes maßgeblich bei.

Mein Ziel war, dass die SpielerInnen die Musik und ihren semantischen Inhalt im besten Sinne des Wortes verkörpern: Emotional, ausdrucksstark, gestenreich und in all der dazu notwendigen Gestaltungsfreiheit. Dazu muss die Musik in ihren Klängen und in ihrer Notationsform Freiräume schaffen, nicht alles restlos festlegen und doch dramaturgisch stringent durch die Kulissen getürmter Klangpyramiden zu führen vermögen.

Hören wir also in Farben des Mohns die Stille des Rauschens, den obskuren Schein der Nacht und atmen wir neugierig die Schatten, die vom jenseitigen Ufer her hallen. Begleiten wir die Figuren, die am Grat der Welten wandeln, erfüllt von der Leere aus Leben und Tod. Lassen wir uns verführen von den »giftzartummäntelten« Gewächsen eines verwünschten Gartens und trotzen wir den Glocken, die fortwährend unser Schicksal einläuten. — Christoph Renhart, Oktober 2015

INSTRUMENTATION:
mezzo-soprano, piano

DURATION:
13 minutes

PERFORMANCE MATERIAL:
info@chrenhart.eu

PREMIERE:
October 22, 2015 • Maria Saal, Dom zu Maria Saal • Johanna von der Deken, mezzo-soprano • Gaiva Bandzinaite, piano

PERFORMANCES:

  • November 10, 2015 • Graz, Palais Meran • Klaudia Tandl, mezzo-soprano • Christoph Renhart, piano
  • November 13, 2015 • Graz, Steiermarkhof • Klaudia Tandl, mezzo-soprano • Christoph Renhart, piano
  • March 2, 2016 • Graz, Palais Meran • Klaudia Tandl, mezzo-soprano • Christoph Renhart, piano
  • March 8, 2016 • Salzburg, Mozarteum • Klaudia Tandl, mezzo-soprano • Christoph Renhart, piano
  • November 24, 2016 • Weiz, Europasaal • Klaudia Tandl, mezzo-soprano • Christoph Renhart, piano
  • September 3, 2016 • Radio Rai Südtirol, Querschnitte • Klaudia Tandl, mezzo-soprano • Christoph Renhart, piano
  • January 21, 2017 • Graz, Palais Meran • Klaudia Tandl, mezzo-soprano • Wolfgang Riegler-Sontacchi, piano
  • January 22, 2018 • Radio Ö1, Zeit-Ton • Klaudia Tandl, mezzo-soprano • Christoph Renhart, piano
  • January 28, 2018 • Radio Steiermark, Kultur spezial • Klaudia Tandl, mezzo-soprano • Christoph Renhart, piano

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Chamber Music Work

tarir une Naïade

tarir une Naïade | Karin Adam (violin) | Doris Adam (piano)

tarir une Naïade
for violin and piano (2013)

tarir une Naïade entstand zwischen Sommer 2012 und Herbst 2013. Das Fundament des II. Satzes bildet ein gleichnamiges Stück für Flöte solo, welches als poetischer Kern des Zyklus verwurzelt liegt. Diesem Ausgangsbild, das auf die Sterblichkeit der Najaden verweist, entkeimten vier weitere Sätze, welche einerseits poetische wie musikalische Anknüpfungspunkte suchen und das Stück zu einer abgerundeten Einheit formen, andererseits zugleich eigenständige und voneinander weitgehend unabhängige Klangbilder darstellen.

Einem gleißend schreienden Initialklang entwächst ein kurzes Wechselspiel aus Agitato- und Tranquillo-Abschnitten. Eine Akkordverdichtung führt beide Ideen als Synthese zusammen, ehe zwei schroff angeschlagene tiefste Klaviertöne trocken das Ende des Satzes abstecken.

Elegisch leuchtet der zweite Satz jenes Bild aus, wonach Najaden zusammen mit dem Gewässer, über das sie wachen, versiegend, versickernd oder verfließend sterblich bleiben – tarir une source bedeutet eine Quelle versiegen lassen. Dieses „Lamento“ nimmt sehr verschwommen Bezug zu Claude Debussy’s Syrinx für Flöte solo.

Der dritte Satz rückt farbige Glockenklänge und friedvolle Harmonien einerseits, andererseits hingegen furiose, bisweilen iberische Anklänge suchende, rhythmisch stark akzentuierte Klanggestalten con fuoco in den Fokus. Streng koordinierte Abschnitte und Passagen im aleatorischen Kontrapunkt fügen sich dabei nahtlos aneinander.

Ein sternklarer Mitternachtshimmel wölbt sich bukolisch funkelnd über den Beginn des vierten Satzes, bis unter polterndem Getöse die dreizehnte Stunde hereinbricht. Ein gespenstisch-lyrisches Intermezzo verklärt die Szenerie in ein surreales Idyll, doch die aufgewühlten Geister kehren zurück und lassen ihr wüstes Treiben mit ekstatischem Glockengeläute ausufern.

Über dem rauschenden Lichtermeer einer schlafenden Stadt umschwirren Fledermäuse einen Campanile. Von der Piazza her dringen verhallende Schritte empor. Als verflossener Nachklang tönen jene versunkenen Glocken durch die Nacht, die mit der Erinnerung an C. D. und an die versiegten Najaden ausschwingen.

Das 2013–2014 entstandene Werk ist Karin und Doris Adam herzlich gewidmet.

Die Einspielung mit Karin und Doris Adam ist 2017 in der ORF Edition Zeitton erschienen.

INSTRUMENTATION:
violin, piano

DURATION:
21 minutes

PERFORMANCE MATERIAL:
info@chrenhart.eu

PREMIERE:
April 26, 2014 • Kottingbrunn, Kulturwerkstatt • Karin Adam, violin • Doris Adam, piano •

PERFORMANCES:

  • October 13, 2016 • Wels, Musikschule • Karin Adam, violin • Doris Adam, piano
  • January 22, 2018 • Radio Ö1, Zeit-Ton • Karin Adam, violin • Doris Adam, piano •
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Chamber Music Universal Edition Work

Epitaph für Ovid Naso

Epitaph für Ovid Naso | Hugo Wolf Quartett

Epitaph für Ovid Naso
for string quartet (2011, revised 2014)

English

The five movements of my first string quartet «Epitaph for Ovid Naso» blend landscapes, rhythms of archaic rites, the scent of Roman vine and nostalgia that is breaking through again and again for a tale from the times of empires long fallen apart. The figures coming into picture proclaim the melancholy falling on simple life like a heavy waft of mist. Furrowed by the unwrought verses of their austere daily routine, they uniformly and artlessly hammer out their rhythms in isolated spots from the amorphous desert backdrop. Time and again—washed around by the surges of the sea—their voices rise up from the bulge of yellowed memories.

We are drawn into the sounds disgorged by Poseidon‘s abyss, and see «on Tauris in the evening» a barbaric ritual, which ebbs away in a wild spree. At the end, we find our way back «to that era» which seems to be shaped by a vague flurry of activity. We longingly cast a final look at Vienna, where, as we know, the world still perishes a little later.

The string quartet was written in 2010–11 and was revised in 2014. The work was awarded the composition prize written out by jeuness, the Hugo Wolf Quartet and the Alban Berg Foundation.

German

Die fünf Sätze meines ersten Streichquartetts »Epitaph für Ovid Naso« vermengen Landschaftsbilder, die Rhythmen archaischer Riten, den Duft nach römischen Wein und immer wieder durchbrechende Nostalgie zu einer Erzählung aus einer Zeit längst verfallener Imperien. Die Figuren, die dabei auftreten geben von der Melancholie Kunde, die sich wie eine schwere Nebelschwade über das einfache Leben senkt. Zerfurcht von den rohen Versen ihres kargen Alltags hämmern sie ihre schlichten Rhythmen an vereinzelten Stellen im Gleichklang aus der amorphen Wüstenkulisse heraus. Immer wieder von den Wogen der See umspült tönen ihre Stimmen aus dem Wulst vergilbter Erinnerungen empor.

Wir werden hineingezogen in die Klänge, die der Schlund Poseidons ausspuckt und sehen »abends auf Tauris« ein barbarisches Ritual, das in einem wilden Trinkgelage entschläft. Und wir finden am Ende »in diese Zeit« zurück, um inmitten einer diffusen Hektik, die »diese Zeit« prägt, einen letzten sehnsuchtsschwangeren Blick nach Wien zu werfen, wo die Welt bekanntlich immer noch ein bisserl später untergeht.

Das Streichquartett entstand 2010–2011 und wurde 2014 revidiert. Das Werk wurde mit dem Kompositionspreis, ausgeschrieben von der Jeunesse, dem Hugo Wolf Quartett und der Alban-Berg-Stiftung, ausgezeichnet.

INSTRUMENTATION:
2 violins, viola, violoncello

DURATION:
17 minutes

PUBLISHED BY:
Universal Edition

PREMIERE:
October 16, 2016 • Vienna, Konzerthaus • Hugo Wolf Quartet • Sebastian Gürtler, volin • Régis Bringolf, violin • Subin Lee, viola • Florian Berner, violoncello

PERFORMANCES:

  • November 14, 2016 • Radio Ö1, Konzert am Vormittag • Hugo Wolf Quartet • Sebastian Gürtler, volin • Régis Bringolf, violin • Subin Lee, viola • Florian Berner, violoncello
  • March 5, 2017 • Warsaw, Radio Polskie Studio W. Szpilman • Hugo Wolf Quartet • Sebastian Gürtler, volin • Régis Bringolf, violin • Subin Lee, viola • Florian Berner, violoncello
  • May 4, 2017 • Valetta, Palazzo Pereira • Baltic Neapolis Quartet
  • June 8, 2017 • Polskie Radio Dwojka, Filharmonia Dwójki • Hugo Wolf Quartet • Sebastian Gürtler, volin • Régis Bringolf, violin • Subin Lee, viola • Florian Berner, violoncello
  • January 22, 2018 • Radio Ö1, Zeit-Ton • Hugo Wolf Quartet • Sebastian Gürtler, volin • Régis Bringolf, violin • Subin Lee, viola • Florian Berner, violoncello